"Wir sind eine Gemeinde aus lebendigen Steinen …"

 

 

Das heutige Interview ist die angekündigte Fortsetzung der neuen Gesprächsserie
„….IM GESPRÄCH MIT..“, die künftig in der VINZ!App und auf der Gemeinde-Homepage www.harpen.ekvw.de in zeitlich loser Reihenfolge erscheint.

 

 

 

 

 

 

Herr Ernst Hirsch, herzlichen Dank vorab, dass Sie sich zu einem Interview in unserem Gesprächsformat „…IM GESPRÄCH MIT…“ bereiterklären.
Ernst, Kornharpen ist ein Orts- und Gemeindeteil der Evangelischen Kirchengemeinde in Bochum-Harpen. Du, und nicht nur Du, auch Deine Familie und Deine Eltern, lebten und lebten dem Vernehmen nach in diesem Bochumer Stadtteil seit vielen Jahren. Was verbindet Deine Familie mit Kornharpen?

Mein Großvater, Reinhold Hirsch, und seine Frau Luise haben das Anwesen Anfang des 20. Jahrhunderts an der heutigen Wieschermühlenstr. 5 erworben und hier eine Fleischerei eröffnet. Sie bestand bis Mitte der 50erJahre. Hiermit war der Grundstein für das Stammhaus der Familie Hirsch in Kornharpen gelegt. Das heißt ca. 120 Jahre Familienbesitz und das verbindet meine Familie mit Kornharpen.
Wir leben gerne hier und fühlen uns wohl.

 

Wie hast Du Deine Kindheit und Deine Jugend dort verbracht, erlebt und welche Begebenheiten, Erlebnisse verbinden Dich mit Kornharpen?

Ich bin ein Kriegskind, geboren im Mai 1943. Wir wissen alle, wie schwierig die Zeiten nach 1945 waren. Der Krieg war verloren. Ich selbst habe noch Erinnerungen an den Kindergarten, der damals in der Gaststätte Degener in Kornharpen untergebracht war – genau gegenüber dem Eingang zur Zeche Caroline. Leiterin war damals die Diakonieschwester Gertrud.

Aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Lage und Not gab es in der Schule für die Kinder eine Schulspeisung. Ich wurde Ostern 1949 eingeschult. Aber 1 Jahr vorher habe ich schon in der Reihe gestanden mit meinen drei Schwestern, die zu der Zeit auch in der evangelischen Volksschule an der Wieschermühlenstr. waren. Ich erinnere mich gut an den Henkelmann: es war eine Konservendose mit einem Draht als Henkel. Es gab damals eine kakaohaltige Suppe mit einem Brötchen - lecker! Oder eine pürierte Erbsensuppe usw.

 

Wie verbrachte man seine Zeit als Kind und Jugendlicher?

Schule am Vormittag, dann ab nach draußen mit den anderen Jungs und Mädchen spielen. Was es alles so gab: Verstecken, Fangen, Pinnchenkloppen, Büchsenwerfen, Hümpeln, Radfahren, Fußball auf der Straße, Völkerball. Es war doch Platz genug. Kornharpen war damals ein Dorf. Hin und wieder kam mal ein Trecker oder ein Pferdefuhrwerk oder es wurden Kühe von Bauer Küper durch die Wieschermühlenstr. zur Weide getrieben.

 

Dem Vernehmen nach hieß „Kornharpen“ nicht immer „Kornharpen“, sondern war trotz der geografischen Trennung durch die damalige B1 und heutige A40, als ein amtlicher Stadtteil „Harpen“. Wann und warum ist dieser Ortsteil in „Kornharpen“ unbenannt worden?

Kornharpen hieß schon immer Kornharpen und gehörte zu Harpen. Es gab 9 Bauernhöfe – das könnte der Grund dafür sein. Harpen ist Kirchharpen und Kornharpen. Dazu kommt heute noch der Rosenberg. Kirchharpen und Kornharpen wurden eigentlich räumlich geteilt durch den Bau der Reichsstr. 1 in den 20-30er Jahren des vorigen Jahrhunderts. Diese Straße führte quer durchs damalige Reich von Aachen bis nach Königsberg in Ostpreußen. Heute ist es die A40. Harpen gehörte bis zur Eingemeindung nach Bochum im Jahr 1929 zum Landkreis Bochum. Nach dieser letzten Eingemeindungswelle wurde der Landkreis Bochum aufgelöst.

 

In welcher Schule hast Du Deine Schulzeit verbracht und wie war damals Euer Kirchenbesuch innerhalb der Familie sozusagen „organisiert“?

Wie schon vorher erwähnt, bin ich Ostern 1949 eingeschult worden in die evangelische Volksschule an der Wieschermühlenstr. 16. Nach dem 4. Schuljahr habe ich 1953 zur Carl-Lührig-Realschule gewechselt und dort 1959 meinen Abschluss gemacht.

Zur Frage Kirchenbesuch: Wir waren eine große Familie. Meine älteren Geschwister waren schon alle im Beruf. Die besonderen kirchlichen Feiertage waren schon hier und da mit einem Kirchgang verbunden. Ansonsten stand die Mutter sonntags in der Küche und musste die große Familie versorgen. Wir waren evangelisch, aber nicht die großen Kirchgänger. Ich selbst habe in der Grundschulzeit mit einem Freund oft sonntäglich den Kindergottesdienst in Vinzentius besucht und erinnere mich, dass er immer sehr gut besucht war. Als Erinnerungsstück habe ich noch eine Kindertasse von Weihnachten 1953.

 

Wie gestaltete sich der sonntägliche Weg zum Gottesdienst in der St. Vinzentius-Kirche, zumal es damals sicherlich noch nicht die heutige Ruhrparkbrücke existierte?

Der Weg zur Kirche führte zu Fuß über die Wieschermühlenstr. Richtung Werne, dann links zum Kohleppelsweg, danach Lütkendorpweg, dann weiter über den Ruhrschnellweg (A40), da wo heute die Brücke zum Ruhr Park ist, rechts in die Kattenstr. zur Kirche. Oder man ging über die Kornharpener Str. Richtung Straßenbahnhaltestelle, durch den Gerstling bzw. den Timpengarten bis zum Ruhrschnellweg und dort auf dem schmalen Gehweg bis zum Lütkendorpweg

 

In welcher Erinnerung ist Dir die Vorbereitung als Konfirmand auf die Konfirmation geblieben und wie gestaltete sich diese seinerzeit im Vergleich zu heute?

In Erinnerung ist geblieben, dass wir zwei Jahre Vorbereitungszeit auf die Konfirmation hatten. Einmal in der Woche. Dann aber schon im neuen Gemeindehaus in Kornharpen. Da ich Wechselschicht in der Realschule hatte, wurde dann in der entsprechenden Woche der Unterricht mit 2-3 Kindern im Arbeitszimmer oder Wohnzimmer von Pastor Hoppe im alten Pfarrhaus erteilt.

Gelernt wurden vor allem die 10 Gebote, Lieder, Bibelsprüche, Glaubensbekenntnis, Vater unser usw. Es gab aber keine Konfi-Fahrten, Jugendtreffen oder Ähnliches. Die Prüfung erfolgte während eines allgemeinen Gottesdienstes bei vollem Haus. Heute ist es, glaube ich, viel entspannter. Das Verhältnis zum Pfarrer ist vertrauter und lockerer, ja freundschaftlicher. Zu unserer Zeit war alles distanzierter.

 

Wie siehst Du bzw. beurteilst Du die heutige Situation des Religionsverständnis in der Gesellschaft und welche Stellung sollte die Institution Evangelische Kirche einnehmen, um die Menschen zu erreichen und dabei ihre Wertvorstellung zu vermitteln?

Die Religion hat es in der heutigen Gesellschaft nicht einfach. Sie bildet zwar immer noch den Grundstock und Grundwerte im gesellschaftlichen Leben miteinander. Je besser es aber vielen Menschen geht, verlieren sich oft diese Werte. Kommt es aber zu persönlichen Verschlechterungen, politisch oder wirtschaftlich, dann steigen die Religiosität und der Ruf nach Kirche.

Ich denke, dass die evangelische Kirche den Trend der Zeit beachten und sich darauf einstellen muss, sich ständig zu erneuern. Das ist sicherlich auch in unserer Gemeinde so. Angebote werden vielfältig gemacht, ob in der Kinder-/Jugendarbeit oder im Erwachsenenbereich. Nur – die Leute hinterm Ofen hervorzulocken, ist oft nicht einfach. Andererseits gibt es heute vielfältige Freizeitangebote, die gerne angenommen werden, im öffentlichen Raum. Da steht Kirche dann wieder im Wettbewerb.

 

Herr Hirsch, lieber Ernst, herzlichen Dank für das Gespräch.
(Das Interview führte Eduard Bobiatynski)